Mittwoch, 20. März 2013

Katja Riemann in der Süddeutschen

Eigentlich sind uns NDR-Talkmagazine vollkommen wurscht; und die Frage, ob sich Katja Riemann oder ein uns bisher noch niemals zuvor über den Weg gelaufenen Moderator namens Hinnerk Baumgarten zum Affen gemacht haben und wer den Shitstorm mehr verdient habe, geht uns hinten vorbei. Wir verweisen auf Stefan Niggemeier (von dessen Seite wir das nebenstehende Bild geklaut haben) und auf den Youtube-Mitschnitt des besagten Interviews im NDR-"DAS!"-Magazin, in dem anscheinend ein rotes Sofa die Hauptrolle spielt. (Und finden es nebenbei bestürzend, dass die ARD, die das verunglückte Gespräch auf Youtube eingestellt hat, offenbar durch suggestive Schnitte "ihren" Moderator schützen will: indem nämlich der Anfang, der bei Niggemeier zu sehen ist, weggeschnitten wurde, wie Riemann direkt vor der Kamera vom Tod von Rosemarie Fendel erfahren hat und darüber offensichtlich geschockt und traurig ist, woraufhin Baumgarten seine inzwischen berüchtigte Einstiegsfrage nach Riemanns schönen blonden Locken stellte... Kommt also ganz drauf an, welche Version der Sendung man gesehen hat, wenn's drum geht, auf welcher Seite man steht (falls es überhaupt darum gehen sollte, auf welcher Seite man steht).)

Aber, unsere Gleichgültigkeit in dieser Sache erstmal beiseite: Wenn in der SZ Alexander Gorkow darüber schreibt, dann lesen wir das gerne, zumal Gorkow ein, mit Verlaub, besserer Schreiber ist als der gestrige Till Briegleb. Und dann freuen wir uns ungemein, dass - egal, ob Gorkow recht hat oder nicht - er sich völlig auf die Seite der Riemann schlägt. Und dass er eine so schöne, nämlich böse Ausdrucksweise an den Tag legt: Die nämlich Niggemeiers Charakterisierung Baumgartens als "überforderten Sachenwegmoderierer" entscheidend erweitert.

Dass Gorkow das Riemann-Baumgarten-Gespräch mit einer Zahnwurzelbehandlung an Riemann als Patientin vergleicht, ist noch harmlos, dass er es als "magenschleimhautzersetzende Lehrstunde an bösem öffentlich-rechtlichen Fernsehen" beschreibt, schon treffender, mit "handelsüblich zynische[r] Melange aus Schleimerei, Ahnungslosigkeit, Überheblichkeit und Desinteresse" - aber auch dies noch ganz im Rahmen des eloquenten qualitätsjournalistischen Abkanzelns.
Richtig schön wird es, wenn Gorkow deutliche Worte findet: Sich in Baumgarten hineindenkt ("Boah, ey, muss denn immer alles so kompliziert sein. Geh mir weiter mit Autorenkino, Mann! Strindberg am Arsch.") Die Kollegin Johanna Adorjàn aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zitiert: "Entweder dieser [Baumgarten] ist von Natur aus selten dämlich..., oder aber er ist bereits komplett deformiert von seiner Arbeit als Moderator im deutschen Fernsehen." Um das dann selbst noch zu erweitern: "Ein Hinnerk Baumgarten mit seinem peinlichen Machismo im TV spielt da nur vordergründig den Part des harmlosen Saftsacks, der morgens um drei peinlich an der Theke daherkommt: Wer redet denn gleich vom Heiraten, Süße, lass uns doch erstmal ne Runde ficken... Das Prinzip: Stell Dich nicht so an. Benimm Dich. Schließlich: Du willst es doch auch." - Baumgarten als Prototyp und Kulminationspunkt des Umgangs der Deutschen mit ihren Künstlern.
Weiter: "[E]s handelt sich bei diesem Mix nicht um einen beiläufigen, lustigen Zusammenstoß zwischen einem Idioten [!] und einer Ziege [!]. Es handelt sich vielmehr um eine besonders perfide Form der Machtausübung. Dadurch, dass den Moderator sein eigener Dilletantismus total kalt lässt, sitzt das Problem auf der anderen Seite des Sofas. Und da wird es auch bleiben, es sei denn, Puppe, Du machst Dich jetzt mal locker, wir wollen doch nu n' bisschen reden..." Um Baumgarten zum Abschluss noch hinterherzuschicken, er sei ein "vermeintlich harmloser TV-Honk".

Womit Gorkow auf wunderbare Weise in der Form seiner Sprache klarmacht, worum es ihm im tiefen Inneren geht: Gegen das Geglättete, Konsensuelle, für klare Kante  mit klaren Worten. Was wir unbedingt unterstützen.

Leider steht der Gorkow-Text nicht auf den Online-Seiten der Süddeutschen. Dafür finden wir dort auf der ersten Seite "Ratlose Kandidatin bei 'Wer wird Millionär?' - 'Ich bin kein Dödel'", und unter den Suchergebnissen nach "Riemann": "Die zehn schlimmsten TV-Interviews - Auf Kinskis Spuren", "Schlaf und Alkohol - Wie der Schlummertrunk die Erholung raubt" und "Einschlaftipps - Zehn Hilfen für eine geruhsame Nacht" - eine atemberaubende Mischung aus Bild, Focus und Apotheken-Umschau. Soviel zu Konsenssucht und Leserfischen, und vielleicht auch zur Verzweiflung des Alexander Gorkow.

Harald Mühlbeyer

2 Kommentare:

  1. Habe auch gerade verzweifelt den Artikel gesucht, wollte diesen toll geschriebenen Beitrag auf Facebook teilen, damit dort auch mal etwas intelligentes landet. Leider finde ich ihn auch nirgends... SEHR Schade!

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  2. Tja, hilft nur DIESEN Text zu teilen, wenn das Original unerreichbar ist...

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