Montag, 24. November 2014

Filmkritik: "Liebe mich!" von Philipp Eichholtz

„Von Oma gefördert“ ist dieser Film laut Vorspann – eine andere Produktionsfirma wird nicht genannt. Und der Abspann konstatiert: Gedreht nach dem „Sehr guten Manifest“ von Axel Ranisch. Das heißt insbesondere: In einem Schwung gedreht, in einem rauschhaften Arbeitsvorgang. Mit einem kleinen Filmteam, beweglich und spontan. Improvisiert ohne ausgefeiltes Drehbuch. Und: Tragisch und komisch. In Freiheit selbstbestimmt und unabhängig entstanden, gedreht von glücklichen Filmemachern, ein Bioprodukt der deutschen Filmlandschaft.

„Liebe mich!“ ist ein persönlicher Film: „Ab und an trifft man auf Menschen, an denen man wächst. Für mich war Sarah so eine Person“, sagt Regisseur Philipp Eichholtz: „Nach drei Jahren Sehnsucht, Herzschmerz und Liebeskummer ist dieser Film eine Liebeserklärung an alle lauten, impulsiven und fordernden Menschen, die ihre Fehler und Macken offen und mutig nach außen tragen.“

Sarah: Sie hat einige Macken. Ziemlich große sogar. Und das Tolle am Kino ist: Figuren, die im richtigen Leben nerven würden, kommen einem im Film nahe. Sarah macht zu Anfang für ihren Freund Frühstück, liebevoll und allzu übereifrig. Er hat nicht die Zeit und die Kraft, sie in ihrer Nähesucht (die sich nur in kleinen Nuancen ausdrückt) zu ertragen. Also Streit. Also schmeißt sie ihren Laptop nach ihm. Der fliegt durchs Fenster. Scheibe kaputt, MacBook sowieso. Und Sarah auf der Straße.

Huhn und Hummel
Dort wartet Axel Ranisch auf sie. Im Bienenkostüm. Sie im Hühnerkostüm. Und die beiden verteilen Flyer an die Berliner Passanten, ihr Job neben dem Studium. Geldsorgen genug, ein neuer Laptop kostet 2000 Euro. Und ein rasendes Temperament zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Zwischendurch wütend. Und alsbald verliebt. Nämlich in den Laptopverkäufer…

Impulsiv ist Sarah, sie denkt nicht immer nach. Oder um es mit den Worten ihres Vaters (Peter Trabner wieder Mal in einer Glanzrolle) zu sagen: Wenn man fünf Minuten nachdenkt, weiß man, dass das bescheuert ist; die Lösung einer Gehirnamputierten. Nämlich: Ihre eigene Wohnung für einige Monate unterzuvermieten, dafür 2000 Euro zu erhalten, um das MacBook zu kaufen – und auf der Straße zu stehen. Und beim Papa einzuziehen. Und bei dessen schwangerer Freundin. Ausgesetzt dem Sarkasmus ihres Erzeugers, den dieser in Hochform auf ihr ablädt. Wenn er nicht unvermittelt in die autoritäre Rolle fällt: Ellbogen vom Tisch! Spülmaschine einräumen!

Philipp Eichholtz weiß offenbar, wovon er erzählt. Der Laptopverkäufer Oliver sei Oliver Jerke nachgestaltet, mit dem Eichholtz schon seit Schulzeiten befreundet ist, der nun den Film mitproduzierte. Und Sarah – Sarah ist Sarah, und da lässt sie sich nicht dreinreden. Wild verliebt zieht sie mit Oliver durch Berlin, zwischendurch zündet sie des Nachts das Moped ihres Ex-Freundes an, um anderntags die überflüssigen Möbel aus ihrer untervermieteten Wohnung bei diesem abzuladen. Abladen zu lassen – denn den Umzug muss Oliver, ihr Neuer, bewerkstelligen, sie selbst traut sich nicht und ist lieber Eisessen gegangen. Sarah, wie sie leibt und lebt: Launisch und leidenschaftlich, ungestüm und aufbrausend, kratzbürstig und liebesbedürftig

Philipp Eichholtz mit Filmförderung
Mit sechsseitigem Drehbuchentwurf ist Eichholtz an die Sache rangegangen, mit einem Budget von 4000 Euro. Und hat daraus ein kleines, großes Drama eine irrsinnige Komödie um Liebe und das Vergehen der Liebe geschaffen.

Harald Mühlbeyer



"Liebe mich!"
D 2014. Buch, Regie: Philipp Eichholtz. Kamera: Fee Scherer. Schnitt: Daniel Stephan. Musik: Luca, Ezra Furman, Cotton Jone. Produktion: Oliver Jerke, Philipp Eichholtz.
Darsteller: Lilli Meinhardt (Sarah), Christian Ehrlich (Oliver), Peter Trabner (Papa Dieter), Eva Bay (Natascha), Axel Ranisch (Dennis).
Länge: 80 Minuten.
Noch kein Verleih, noch kein Kinostart...

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