Kein Western sei es, erklärte
Regisseur und Drehbuchautor Thomas Arslan in der Pressekonferenz, sondern eher,
als Subgenre, ein Treck-Film. Die Zeit der klassischen Frontier, der Cowboys
und all der großen Zivilisations- und Eroberungsmythen ist auch eigentlich schon
vorbei, in der Zeit, in der GOLD spielt: Es sind die 1890er Jahre, und der
Goldrausch in Kanada lockt auch deutsche Emigranten. Darunter das ehemalige
Dienstmädchen Emily Meyer, die sich einer kleinen Reisegruppe unter Führung des
sich schließlich als windig herausstellenden Wilhelm Laser (Peter Kurth)
anschließt, um 1.500 Kilometer durch das unbesiedelte Land zu den Goldfeldern des
Klondike zu gelangen. Beginn eines strapaziösen Zugs und eines fordernden Films.
Thomas Arslan (DEALER, und zuletzt mit IM SCHATTEN gefeiert) zählt gemeinhin zur ersten Generation der (Neuen) Berliner Schule, und man kommt nicht umhin, GOLD als einen entsprechenden Klassenausflug nach Bad Segeberg zu betrachten. Was zumindest nicht ganz fair dahingehend ist, als Bildgestalter Patrick Orth (der zusammen mit Ulrich Köhler u.a. BUNGALOW und SCHLAFKRANKHEIT drehte) atemberaubende Aufnahmen der Berg-, Wald- und Steppenlandschaft British Columbias und der kanadischen Rockys eingefangen hat, die zudem auf der Berlinale-Leinwand wundervoll scharf präsentiert wurden und die in den ruhigen und wohl gewählten Einstellungen voll zur Geltung kommen. Darüber hinaus ist es aber schwierig, den Film einzuschätzen – oder zumindest, mit ihm so recht warm zu werden. Was, je nach Standpunkt Programm sein mag oder halb geglücktes Bemühen.
Nina Hoss, Berlinale-Dauergast und
Bären-Gewinnerin des letzten Jahres für ihr Spiel in Christian Petzolds BARBARA,
hat den Sattel eines DDR-Fahrrads gegen einen auf einem echten Pferderücken
getauscht, und wie gemacht scheint die spröder leidensbegabte blonde Schönheit für den
wilden (Nord-)Westen und seine Strapazen – schließlich heißt sie auch, wenn auch nur
mit dem Nachnamen, wie der dicke Cartwright-Sohn in „Bonanza“. Aber Kalauer hin
oder her, GOLD fehlt es letztlich doch bei allem Existenzialismus und der Lust
am Geworfensein im großen Ehrfurcht gebietenden Nirgendwo-Idyll als Hoffnungshölle
auf dem Weg ins bessere Leben am notwendigen erzählerischen Surplus, um seine abgenutzten
Situationen, Typen und Konflikte, mit denen der Film jongliert, zu
legitimieren. So strauchelt, zumindest vordergründig, GOLD hin und wieder, schliddert
auf blanker Drehbuchebene ins Metier eines TV-Westerns ab, selbst, wenn es ein
anspruchsvoller und authentisch rauer sein mag.
Die Langsamkeit in ihrer Analyse, das distanzierte Beobachtende bei gleichzeitigem Einbezug des Zuschauers, das Berliner-Schulische (das freilich bei Arslan hier wie sonst nie so intellektuell-ästhetische geriet wie bei anderen, vor allem auch jüngeren Vertretern) kann und konnte seine enthüllende, analytische Wirkung wunderbar vor allem entfalten, wenn es wie ein Instrument auf die moderne Gegenwart und Oberfläche gerichtet war, um dahinter zu schauen, verdeckte oder nicht abbildbare Verhältnisse zu durchdringen und wenn auch nicht symbolisch-sichtbar, so doch erfahr- und begreifbar zu machen. In GOLD aber haben wir es mit einer anderen, fernen und fremden Zeit, ihren Menschen und Daseinsbedingungen zu tun, und das Spröde des Blicks geht so an den bisweilen museal hergezeigt wirkenden Westerndörfern, den immer etwas zu sauberen oder zu sorgfältig angeschmutzten Kostümen und Requisiten ins Leere – wenn er nicht zuvor von der Naturschönheit verschluckt wird.
Nach langer, fast lebensraubender
Odyssee erwacht Nina Hoss so dezent wie geschmackvoll – und dennoch: – geschminkt,
wie sie aus dem originalen Dampflockzug am Anfang steigt: die Brauen akkurat
konturiert, die Lippen leicht kaminrot. Etwas irritierend Anachronistisches hat
das Banjo von Lars Rudolph alias Rossmann, so hell, so viel Metall, nicht auch
Plastik die Stimmdrehknöpfe?
Das ist keine Schluderigkeit
der Ausstatter, auch nicht mit dem Verweis auf das mit zwei Millionen für einen
solchen Film wie GOLD erstaunlich geringe Budget abzutun. Es hätte ein
faszinierender künstlerischer Einfall sein können, der bewusste Einsatz von Unzeitgemäßem
(vielleicht je mehr desto länger die Reise dauert). Auch die
Elektrogitarrenklänge als Soundtrack gemahnen, zusammen mit der gesamten
reduzierenden, getragenen Methaporikstimmung, an Jim Jarmuschs (Konter?-,
Satire?-, Mystik?-) Western DEAD MAN – auch wenn Arslan sich in der
Pressekonferenz davon zurecht distanzierte. Was aber will er und GOLD sonst?
T. Arslan (r.) mit GOLD-Darstellern (Bild: zyw) |
Die reflexive, rekapitulierende Beschäftigung mit vielen hier gebündelten, realen Reise-Erlebnisse deutscher Emigranten als arme Glücksritter –
sowas mag die Förderstellen und Produzenten überzeugt haben. Es ist aber keine
geeignete, zumindest keine hinreichende Grundlage oder Ausgangsbasis für die gebotene
gehobene Stilistik des Films und seines Typenpersonals. Der arrogante Reporter
aus dem Osten, der sich zum Anführer aufschwingt und Emily anmacht (Uwe Bohm),
der arme unsichere Familienvater (Rudolph), der schweigsame Packer (Marko
Mandic), von dem wir schon bei der ersten Begegnung wissen, dass er und Emily,
wenn auch recht spät und nur sehr kurz, zusammenkommen. Selbst Nina Hoss darf
in ihrer Rolle deren biografisch einfallslosen wie folglich glaubwürdigen Hintergrund
erzählen, aber auch sie bleibt seltsam figurinen-, bisweilen gar staffagenhaft
(oder, nach anderer Lesart: symbolisch-abstrakt). Damit wie mit dem Misstrauen
gegen die Indianer, dem Radbruch, der Verwundung bis hin zu nötigen Amputation,
Irrsinn, Rache, das Abzählreim-Prinzip, nach die Gruppe vorauszusehend
reduziert wird – mit all dem samt der ästhetischen Reduktion hätte man
wunderbar Genre-Reflexion oder -Dekonstruktion betreiben können, eine Persiflage
oder Hommage. Weil aber GOLD keine Erkenntnis oder zumindest kein überzeugendes
Erkenntnisinteresse bietet oder spürbar macht, müht man sich als Zuschauer –
vielleicht gar umsonst –, einen Sinn hinter dem dann Schleppenden, dem Leder-Zähen,
dem Hölzernen zu finden. Die Reise mag hier für manchen im Publikum das Ziel
des Films sein, für anderen nur der Nachvollzug des erschöpfenden Trecks in,
manches Mal, gefühlter Echtzeit.
Vielleicht ist das aber gerade
gelungen sinnbildlich für das geheime Thema und den zugleich eindeutigen Titel:
Verführerisches, Gier weckendes, aber auch enttäuschende, verblendendes,
gauklerisches GOLD.
Ein sehenswerter, wiewohl oder
gerade weil anstrengender und nicht garantiert lohnenswerter Film.
zyw
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