„Stichwort Drehbuch“ ist der Podcast des Verbands deutscher
Drehbuchautoren. Frank Zeller und Oliver Schütte präsentieren hier ein- bis
zweimal im Monat Interviews mit Autoren, Regisseuren u.a. sowie
Veranstaltungsmitschnitte rund um das Thema Stoff und Skript.
Aktueller Beitrag ist eine Aufzeichnung der
VeDRA-Veranstaltung (Verband für Film- und Fernsehdramaturgie e.V.) mit dem Titel „Filmstoffentwicklung“,
die am 9. November 2013 in Berlin stattfand. Inhalt des Mitschnitts: Vortrag
und Q&A von/mit Degeto-Geschäftsführerin und ARD-Filmförderkoordinatorin (seit
2012) Christine Strobl.
(Foto: SWR/Monika Maier) |
Äußerst empfehlenswert, weil teils Erstaunliches da zu
hören ist – vor allen in der Offenheit, mit der die Ex-SWR-Redakteurin von
ihrer Firma spricht. Nach einer Einführung in die Aufgaben und Leistungen (samt
groben Zahlen) der zentralen Filmeinkaufs- und Produktions(beteiligungs)firme der ARD legt
Strobl dar, wie sie, die sie sich auch für die Stoffe verantwortlich fühlt,
sich die Zukunft vorstellt. Und die soll sich klar unterscheiden von der Gegenwart:
Realistischer werde das Programm, Wendungen und Begriffe wie „nicht mehr zeitgemäß“, „Stereotype“,
„Kitsch“ fallen. Sogar die Erkenntnis: dass das Publikum für dümmer gehalten werde, als es
sei. Sicher, Wohlfühlunterhaltung soll es auch künftig geben, nur eben
zeitgemäßer. Aber überdies stellt Strobl „offene Dramaturgien“ in Aussicht; keine
Geschichten mehr, die man von Anfang bis Ende vorhersagen kann. Und auch die
Standard-Darsteller (Stichwort Christine Neubauer) sollen nicht mehr so häufig (also gefühlt: ständig) zum
Einsatz kommen, selbst wenn sie Publikumserfolg versprechen. Mit entsprechenden Kandidaten
habe Strobl schon persönlich gesprochen ...
Was die krisengebeutelte Degeto selbst betrifft,
setzt Strobl auf Transparenz. Sogar eine eigene Website habe die ARD-Tochter endlich
(auch die Chefin weiß, wie peinlich das ist). Grob werden da die
Zielanforderungen für die einzelnen Sendeplätze für Autoren und Produzenten
angeführt. Und: Ein Datenbanksystem soll her, um die Rechte nicht länger aus
dem Aktenordner oder bestenfalls mit Excel-Listen zu verwalten. Willkommen im
21. Jahrhundert, Degeto!
Auch wenn Cristine Strobl zum Ende hin, wenn es um die
konkrete Ausgestaltung etwa des Donnerstagabends in der ARD geht, etwas ins Schwimmen
gerät: Ihre offene Art und ihre Vorstellungen von dem, was die Degeto leisten
kann und zukünftig soll, macht Hoffnung für „Das Erste“ (für das sie 81 % aller Kino- u. TV-Filme beischafft) und darüber hinaus (so ist die Degeto auch Kino-Koproduzent, etwa von DER MEDICUS). Nach u.a. Norbert
Himmler, neuem Programmdirektor des ZDF, ist mit Strobl nun eine weitere einflussreiche
Person für ein deutsches Gebührenfernsehen im Amt, das sich anschickt, fiktionale Inhalte für Menschen diesseits der 60 und abseits des Wunsches nach
idyllischem Forsthaus-, Bauern- und Reiterhofklischee zu präsentieren. Was letztendlich
daraus wird, muss sich zeigen. Freilich sind solche klaren Verheißungen und
eindeutige Selbstkritik von der Spitze der mächtigen Degeto allein schon von
erheblichem Wert, und sei es nur für die wunde Seele von Drehbuchschreibern,
Produzenten – und Zuschauern.
Die Degeto, gemeinsam betrieben von den
Landesrundfunkanstalten, hat allerdings mehr als nur guten Grund, sich neu
aufzustellen. Nicht nur, dass sie für viele quasi ein Synonym fürs Seichte und
Schmonzettenhafte im Ersten, sondern auch molochartige Macht gegenüber
Kreativen und Produzenten. Vor allem aber zuletzt: für Misswirtschaft und mehr.
Ende 2011 verabschiedete man Geschäftsführer Hans-Wolfgang Jurgan, der das
Budget überzogen hatte; bis 2013 war schon alles verplant. Es kam zum
Auftragsstopp und die Wirtschaftsprüfer ins Haus. Deren Erkenntnis: „gravierende
organisatorische Mängel“. (Sie hierzu wie für ein Porträt von Strobl zum Amtsantritt ein Beitrag auf Zeit-Online.)
Wenn nun also mitsamt der Organisation und den Finanzen
gleich noch das Inhalts- bzw. Qualitätsverständnis zum Neuen und Besseren hin
reformiert (wenn nicht gar neugestartet) wird, hat die Degeto-Krise vielleicht was Gutes gehabt.
Die Aufzeichnung des Vortrags von Frau Strobl finden Sie
HIER.
zyw
Wirklich ändern wird sich nichts, denn das hieße, eine Machtverschiebung zugunsten von Autoren (und Regisseuren) und zu Ungunsten von Redakteuren des ÖRR zuzulassen. Warum aber sollten die gutbezahlten Redakteure, mit der Aussicht auf eine fette Pension, die Kreativen "mal machen lassen" und damit unter Beweis stellen, dass sie selbst zum größten Teil verzichtbar sind? Etwas ändern beim ÖRR wird sich erst, wenn der Übergang vom Redakteursfernsehen zum Kreativenfernsehen vollzogen ist.
AntwortenLöschenDas dies nicht der Fall ist, auch unter Frau Strobl nicht, macht schon das Festhalten an den altbekannten Genres mehr als deutlich. Die Drehbuchautoren werden lediglich mich Häppchen, sprich mit vorsichtigen Verschiebungen in der Akzentuierung, abgespeist. Im Großen und Ganzen aber, soll alles auch weiterhin in den bisherigen bekannten Bahnen verlaufen. Das geht ganz klar aus dem Podcast hervor.
Es gibt also KEINEN Anlass zum Optimismus.