Zum Auftakt des Festival des deutschen Kinos in Mainz
Juhu, es ist wieder da, das Mainzer FILMZ – Festival des deutschen Kinos, der Lichtblick in der spätherbstlichen Tristesse. Ein Jahr
hat es pausiert, dabei aber nichts an seiner Frische verloren und macht, im
Großen und Ganzen da weiter, wo es aufgehört hat. Gottlob. Sicher, der
Spielfilmwettbewerb ist enorm gewachsen: Zwölf „Lange“ konkurrieren dieses Jahr,
und es wird ein harter Kampf. Das Rahmen- und Reihenprogramm ist erneut üppig:
Urs Spörri präsentiert in der Altmünsterkirche wieder das Stummfilmkonzert
(Fr., 29.11., ab 20.00 Uhr), gezeigt wird heuer ORLACS HÄNDE von Robert Wiene
aus dem Jahr 1927, Drehbuchpitching am Sonntag, lokale Dokus, lokale Kurze
neben den Contest-Reihen – und chill-out-after-hour-FILMZirkel ab 20.00 Uhr,
diesmal bei „Oma Else“.
Gelb-Schwarz-Weiß, FILMZ ist wieder da, inklusive einem 007-Titelsequenz-würdigen Festivaltrailer.
Aber irgendwie ist auch ein klitzekleinwenig der Wurm drin. Das ist natürlich
auch nicht neu, macht auch nichts: FILMZ wird gestemmt von Ehrenamtlichen, was
in Mainz eben auch heißt: von Studierenden, und da ist soviel Wechsel und Fluss
drin, dass sich FILMZ zumindest hinter den Kulissen ohnehin schon öfters
neu erfunden hat. Und das auch bei der Eröffnung nicht alles ganz rund lief, ist
folglich ebenso traditionell wie sympathisch (mithin: welches Filmfest ist dahingehend
schon perfekt).
Mindestens ein Mikro fällt am Dienstag aus (obligatorisch), das
Beamerbild mit den Sponsoren flackert und wird just in dem Moment abgeschaltet,
als eben darauf verwiesen wird, die Moderation noch ein bisschen steif. Egal, mehr noch: das hat Charme, lockert auf, war immer schon so
(überall!), muss so sein. Was jedoch mehr befremdet und intuitiv schwerer wiegt ist, dass
zum Start im großen "Capitol"-Kino nicht, wie die Jahre zuvor, dasselbe rappelvoll war. Viele
Plätze blieben leer; vielleicht wegen zu viel eingeplanter Ehrengästen. Aber man vermisste ihn schon, den Aufruf, sich doch bitte zu melden, falls noch ein Platz neben einem unbesetzt ist. Schlimmer noch: Gerade nach der einjährigen Pause drängte sich zumindest
für eine Schrecksekunden der Gedanke auf, dass das Interesse an FILMZ nachgelassen haben könnte, das Mainz
und die Mainzer und aller drum herum zwar das Festival des deutschen Kinos
loben und lieben, es aber doch schnell aus Herz und Hirn verlieren, kaum
dass es mal aussetzt. Treulosigkeit, Oberflächlichkeit, Entbehrlichkeit? Die nächsten Tagen
werden zeigen, ach was, beweisen, dass dem nicht so ist! Denn FILMZ ist wieder
da, und mit einer weiteren Tradition hat man auch zur Eröffnung auf
verlässliche Weise nicht gebrochen, nämlich jene, nicht gerade mit dem dollsten
Film des Wettbewerbs zu beginnen. Wer verschießt schon sein Pulver gleich
zu Anfang – Spannungskurve, Dramaturgie, das gilt nicht nur für Filme, sondern
auch für ihre Festivals.
Dabei war es gut geplant und stimmig getimed: Kaum wird es (mal wieder) so richtig
kalt in Mainz, lockt FILMZ 2013 mit südfranzösischer humorvoller Leichtigkeit: STILLER SOMMER von Nana Neul (MEIN FREUND AUS FARO) hat eigentlich auch alles,
was die Seele wärmen könnte – rustikale Idylle mit groben natursteinernen Bauernhäusern,
Künstlertum und Rotwein, Katze, Trüffelschwein und Lamas, vitalen Franzosen,
vor allem ein grandiose Dagmar Mantzel (NACH FÜNF IM URWALD; DIE VERLORENE
ZEIT), der auch eine gelungene Storyidee, naja, quasi „in den Mund gelegt wird“:
Ihrer Kristine ist die Stimme abhanden gekommen, und wie sie sich den größten
Teil des Films nur mit Mimik und Gestik verständigen kann, so dass sich die
Figuren ringsum an ihr abarbeiten können, hat große Klasse und besonderen
Charme. Die kecke Tochter (frisch: Marie Rosa Tietjen) hat was mit einem
feschen Einheimischen, auf den auch Mama ein Auge wirft (und umgekehrt, dieser
auf sie), dann kommt Papa noch dazu (gespielt vom ebenfalls großen Ernst Stötzner;
s. H.-C. Schmids WAS BLEIBT) ...
Doch statt es beim luftigen Liebes- und Beziehungsreigen zu belassen und ihn
auszukosten, wartet STILLER SOMMER mit einer Volte auf, die ein ganz neues Fass
aufmacht, Schuld und sexuellem Doppelleben, ein bisschen zu ausgedacht und
teutonisch-tragisch in der Idee, als wäre Neuls Drehbuch ein bisschen zu sehr am
Redaktionsbesprechungsthemen-Tisch konzipiert worden (und selbst wenn dieser
Tisch nur im Kopf gestanden hat). In Rückblenden wird dann alles noch mal Vieles
aus der anderen Perspektive gezeigt, und passé ist die Sommerfrische, die auch
leider in den Bildern nicht so wirklich eingefangen ist, so blass und eng
gehalten, aller Spontanität, allem Witz (inklusive Psychopilz-Naschen) zum
Trotz.
STILLER SOMMER ist kein schlechter Film, kein verbiesterter Film, aber er steht sich
selbst letztlich im Weg herum, weiß nicht wohin mit sich, macht sich seine
Probleme selbst. Bei allem Flair und Schwung, Deutsche in Südfrankreich eben.
zyw
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