Wo Schweiger draufsteht, ist ganz großes Kino drin. Das
heißt nichts anderes als hoher Bodycount, Verfolgungsjagden, futuristische
Spitzentechnologie, große Gefühle und family values. Schweiger ist der
große Kinostar, und dass er jetzt im Fernsehen auftritt, soll dem nicht im Weg
stehen.
Til Schweiger ist Schauspieler und guckt. |
Der neue Hamburger Tatort „Willkommen in Hamburg“,
Regie: Christian Alvart, produziert von der Constantin, bringt die Action, die
das deutsche Kino nicht kann und nicht darf: Schließlich ist das
Verbrechensgenre schon lange in die Flimmerkiste abgewandert, wo es mehr oder
weniger bieder vor sich hin taumelt, und wenn nun die Action von der
RTL-Autobahnpolizei in den renommieten Tatort wandert, ist das erstmal
ein guter Weg. Das in der Vorberichterstattung schon vielzitierte erste Wort
des neuen Kommissars, das mit F, gehört ebenso zum anvisierten Ziel, der einen
großen Wurf voraussetzt, wie die drei Erschossenen in der Anfangssequenz oder
die körperliche Härte und Allgewalt, die Schweigers Nick Tschiller an den Tag
legt.
Die Handlung dreht sich um Zwangsprostitution
Minderjähriger, ein Thema, das Schweiger am Herzen liegt, der nämlich, ganz
klar, gegen sexuelle
Gewalt ist. Der deshalb gleich dutzende Osteuropäerinnen
rettet: Als Erlöser schreitet er ihnen voran auf dem weg nach draußen aus dem
Höllenloch, das sie festgehalten hat. Den eigentlichen Hauptplot freilich habe
ich nicht so recht verstanden: Türkische Mafia regiert den Kiez, es gibt einen
Prozess gegen einen der Rädelsführer, und Mark Waschke soll als freier Berater
die Zeugen ausschalten. Er tut dies, indem er ihnen die Kindernutten der
Mafiagang zuführt und sie anschließend erpresst – ähem: ich sag’s nochmal: die
Zeugen der Anklage gegen einen Mafioso sind freudig-geile Kunden einer
Minderjährigen-Escortagentur, die dem Mafioso gehört, und deswegen werden sie
überredet, nicht mehr gegen ihn auszusagen. Oder andersrum: Der geile Bock geht
solange zur Nutte, bis er nicht mehr spricht, vor Gericht. Wie gesagt: Die
Staatsanwaltschaft hat ein paar hochkarätige Zeugen zur Hand, die aber immer
weiter die Kinder ficken, die die Familie des Angeklagten ihnen zuführt. Ah, so
kommen wir nicht weiter, irgendwo steck ich in einer Schleife fest.
Das hat aber nix mit Schweiger zu tun. Schweiger tut, was er
kann: Nuscheln und gucken. Dabei ist er angemessen selbstironisch; und hat sich
schön Blut ins Gesicht schminken lassen. Im Übrigen ist er ein Mann der
Gefühle, die aber nur ihn was angehen. Schweiger ist überhaupt der Mann,
der perfekte Prototyp des Geschlechts, weshalb ihm auch die eigentlich
gegnerische Staatsanwältin auf den Popo kuckt. Dass sein Sidekick und Partner Fahri
Yardim seine Wohnung videoverwanzt hat, findet er aber nicht gut, wegen
Spannertum. (Warum bei einer videoüberwachten Wohnung aber der Besuch des
Oberbösewichts Mark Waschke bei Schweigers Schützling, einer jungen Zwangsprostituierten,
nicht auffällt, weiß der Film nicht zu erklären.) Yardim aber flirtet sowieso
mit einer Krankenschwester, die seinen Fängen nicht entkommen kann, während
Schweiger seinen Ex-Partner nicht mit dessen Frau betrogen hat, obwohl
sie es ja wollte. Nein: Schweiger gibt keine Tanzkarten aus, dazu hat er sich
und seine Männlichkeit zu sehr im Griff. Schweiger fickt nur, wenn sie es auch
will.
Wo sind die Eier von Papa Til? |
Wobei dieser Triebverzicht kompensiert wird durch die Eier,
die den Film leitmotivisch durchziehen: Die von Fahri Yardim wurden von der
Mafia-Munition nur um Zentimeter verfehlt, während Til seine prallen
metaphorischen den ganzen Film über zeigt, so wagemutig und draufgängerisch,
wie er sich vorwärtsstößt durchs Dickicht der Bösewichter. Und natürlich: Das
weiche Frühstücksei, das er seiner Tochter allmorgendlich kochen soll. Die wird
gespielt von seiner Tochter Luna, weil er nach Trennung von deren Mutter dafür
zu sorgen hat, dass die Kinder ein Auskommen haben.
Nach guter alter Tradition darf der Tatort-Darsteller
an seiner Figur mit herumfeilen; herauskommt dieses Scheidungskind namens
Lenny, dem sich Nick Tschiller (wieder) anzunähern wagt, trotz ahnungsvoller
Vorbehalte der Ex-Ehefrau. Denn Schweiger, der Mann, ist vor allem
Familienmensch, auch wenn’s mit letztendlich so richtig der Familie nicht
geklappt hat: Auch nach dem Verfall hält man zusammen. Und was man am
Essenstisch versäumt, holt man mit der Nutte, die man schützt, nach: Nimmt sie
väterlich in den Arm, damit sie sich ausweinen kann, und bietet als Versorger
Sicherheit.
Das Beste, was Schweiger hat passieren können, war die
Trennung von seiner Frau Dana 2005. Damit, direkt aus seiner Biographie, hat er
sein Thema gefunden, das Überleben des Mannes in Zeiten zerbröckelnder Familien,
den Umgang des Mannes, der er ist, mit den Frauen seines Lebens, mit Töchtern,
Ex und neuen Liebschaftsmöglichkeiten. Er ist erfolgreich damit; auch wenn der
Sexismus, der sich hinter Tils Filmen verbirgt, nur dürftig durch Selbstironie
verbrämt ist. Weil’s ja letztendlich eben doch richtig ist, dass Yardim die
Krankenschwester anmacht, und weil’s halt lustig ist, wenn sich Schweiger
gegenüber der Nutte als schwul ausgibt.
Aber natürlich: Das ist ja nur ein Film, und nicht die
Wirklichkeit. Damit man das nicht vergisst, bringt Alvart immer wieder Hämmer,
die so dermaßen darüber hinausgehen, dass man vor Freude heulen könnte. Wie Til
einem Lieferwagen, einem schwarzen natürlich, hinterherrennt, ihn einholt, zack
ist er auf dem Dach, zack mit den Füßen die Seitentür aufgestoßen und buchstäblich
mit dem kleinen Zeh den Schurken verhauen, der grad eine kleine Nutte erwürgen
will. Mit ihr dann abgesprungen, in Zeitlupe, und sie dann auch noch vor einem
heranbrausenden LKW gerettet! Oder das Finale, wie er im Lusttempel des bösen
Kinderescortservice – einer alten Lagerhalle, was sonst – mit leergeschossenem
Magazin die Bösewichter überwältigt, gleichzeitig noch die arme Zwölfjährige aufmuntert,
dann zum Fenster raus, klirr, im Stockwerk drunter wieder rein mitten in den
Mädelsschlafsaal, denen er eine große Portion Hoffnung ausschöpft, um sich
wieder ins Kampfgetümmel zu stürzen. Nach diesen Heldentaten ist Til Schweiger
aber nun wirklich ganz und gar willkommen in Hamburg, und im Tatort-Stadel.
Harald Mühlbeyer
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