In wenigen Stunden läuft der neue TATORT mit Deutschlands
gesuchtestem Superstar Til Schweiger! Seinen Einstand gibt er als Kommissar
Nick Tschiller (hat was, klingt ein bisschen wie „Nora Tschirner“) in „Willkommen
in Hamburg“. Inszeniert hat die Folge Christian Alvart, auch so ein Deutscher
mit Genre- und Hollywood-Erfahrung (siehe ANTIKÖRPER, CASE 39, PANDORUM), und
das Drehbuch stammt von Christian Darnstädt (DAS EXPERIMENT). Warum soll das
bitteschön so fürchterlich werden? Ich freu mich jedenfalls!
Spiegel-Online (namentlich Christian Buß) ätzte natürlich
schon vorab: „Til Schweigers ‚Tatort‘-Desaster“.
Jenes Spiegel-Online übrigens, das immer und aus Prinzip alles Scheiße findet,
was woanders Erfolg hat und sich ansonsten bestenfalls traut, Kritik auf der
Meta-Ebene zu verstecken (getarnt als Bericht über die Reaktionen anderer). Und das Heinos neue Platte, auf der er Die Ärzte, Peter Fox, Rammstein und wennochallescovert, blöd findet, weil – Achtung! – Heino nicht Johnny Cash ist. Na denn...
Nun erwarten wir tatsächlich wohl alle nicht allzu viel von
Tils TATORT, wenigstens aber Machismo und Kawumm. Überhaupt ist es unsinnig,
Til Schweiger und alles was er macht und tut und worin er auftritt, total mit
Spott und Häme zu überschütten: Einerseits weil zig Millionen Deutsche – alles
Bildungsprekarier (oder -präkarier? Prekaries?) – ihn ohnehin liebe (können wir
nix machen) und die, mit denen man so verkehrt und sich augenzwinkernd verständigt,
sowieso den Schweiger nicht abkönnen.
Schweiger-Bashing, das ist – anders gesagt – so unnütz wie intellektueller
Mainstream, Konsens, out, oll', Arschgeweih für Wes-Anderson-Möger und Berlinale-Akkreditierte.
Schweiger als Regisseur, Darsteller oder Talkshowgast und die Filme, die er
macht, „schlecht“ zu finden, bringt nichts, ist zu simpel, zudem spaßfeindlich
weil undifferenziert.
Die Inuits haben, angeblich, ganz viele Wörter für Schnee
(vielleicht, weil es so viele Inuit-Sprachen gibt?). Fakt jedenfalls ist –
selbst erlebt! – dass die Iren mindestens sieben unterschiedliche Sorten Regen
haben. Wie (und weshalb bloß) kommen wir dann mit nur einer allgemeinen Form
von „mies“ zurande, wenn es um den Til geht? Zumal Schweiger-Verhöhnen in ernst
zu nehmenden Kreisen ohnehin keine Sache echter Kritik und Auseinandersetzung
mehr ist, sondern etablierter, liebgewonnener Volks- und Nationalsport wie
Fußball oder Politiker-Plagiatoren-Hatz.
Da geht also doch noch mehr, da ist doch noch Luft nach oben
beim lustigen Schweiger-doof-halten-Spiel. Wieso nicht nach den Ostfriesen-,
Manta- und Blondinenwitzen Til-Schweiger-Kalauer? Die Chuck-Norris-Facts
erfreuen sich ja auch internationaler Beliebtheit.
Nein, es geht nicht darum, ob und dass Schweiger fürchterlich
ist, sondern darum, wie. Ganz viele Variationen und Nuancen lassen sich
(er-)finden, mehr jedenfalls als Schweigers Spiel so hergibt, und was schert es
schon die Eiche, wenn sich die Sau dran schabt. Andersherum freilich ist der
Sau die Eiche egal, solange die kein Gummibaum ist; mit dem macht das keine
Laune, der ist glatt und biegt sich.
In diesem Sinne hat sich Schweiger am 4. Februar diesen
Jahres in der Berliner Akademie der Künste mit seinen Gegnern, den Filmkritikern
– vertreten durch Andreas Kilb von der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung – getroffen. Die Auftaktveranstaltung der Reihe
„Film und Kritik“ lief unter dem Titel „Die Kluft zwischen Filmkritik und Filmbranche – ein deutsches Problem?“ Zur Erinnerung: Schweiger brüskierte die
professionellen Rezensenten immer wieder, indem er einfach keine Pressevorführung
für seine Knaller ZWEIOHRKÜKEN, KOKOWÄÄH, SCHUTZENGEL & Co. gewährte. Will
er auch in Zukunft nicht. Worauf auf der Veranstaltung wie zuvor schon darauf
verwiesen wurde, dass Schweiger ja doch durchaus deutsches Fördergeld für seine
Produktionen einstreicht. Weshalb und wie Filmkritiker – vielleicht ein
klitzekleinwenig anmaßend – daraus das Recht ableiten, Schweigers Filme vorab
gezeigt zu bekommen, ist eine andere Sache.
Schweiger jedenfalls wird auch in Zukunft, so ließ er bei
der Veranstaltung verlauten, auf die Presse (bis auf ausgewählte Medien)
pfeifen. Runterschreiben können Sie ihn nach dem offiziellen Start, überhaupt hätten
Filmbesprechungen für ihn an Wert und Bedeutung verloren. Und was das Gespräch
Schweiger-Kilb als „öffentliche Diskussion“ betrifft: die Medienressonanz war dürftig
(suchen Sie mal im Internet was dazu! – immerhin der Deutschlandfunk berichtete).
Da ärgert es nur noch mehr, dass der Til heute mit
Action-Gewitter die TV-Institution TATORT kapert. Die ist jedoch sowieso nicht
kaputtzukriegen, und ohnehin (zumindest teilweise, was gewisse Rechtsstellen
des Senderverbands anbelangt) lässt sich hier eine geistige Verwandtschaft erkennen.
Denn, wie HIER berichtet, hat ja unlängst die ARD den Verlag Bertz + Fischer
Verlag juristisch gedroht, wegen zweier Bücher über den TATORT, auf denen dann
unverschämterweise auch noch der Reihennahmen TATORT mit genannt wurde! Auf dem
Cover! Schön, haben andere Publikationen ebenso gemacht, da war das aber okay,
denn wenn zwei dasselbe tun, ist das noch lange nicht dasselbe.
Bertz + Fischer kann jedenfalls von Glück reden, wenn die
ARD Schweiger nicht mit grimmiger Miene und Maschinenpistole als Enforcer von
Hamburg nach Berlin schickt. Vielleicht ist er schon auf dem Weg.
Bis dahin sollen wir froh sein, dass nach SCHUTZENGEL heute
Abend mit dem TATORT wenigstens mal Actionkino aus heimischer Produktion in
Deutschland geboten wird! Und die auch anspruchslos Spaß macht (vielleicht gerade
dann – siehe ROBIN HOOD von Martin Schreier). Gejammert wird doch sowieso ständig, das da nix geht!
Vielleicht tritt Til Schweiger der Initiative Neuer Deutscher Genrefilm bei (und wieder aus und wieder ein), die darunter neben
Sci-Fi, Horror, Fantasy, Dark Drama schließlich auch Action versteht? Zwar versammelt sich da dort auch nicht unbedingt viel Gold, ob die
Schweiger da freilich haben wollen würden?
Ach, der Til, mit dem hat man schon sein Kreuz…
(zyw)
TATORT: WILLKOMMEN IN HAMBURG
heute: 20.15 Uhr, im Ersten.
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