Montag, 16. Dezember 2013

Porno-Abmahnung auch für "illegale" Spielfilm-Streams relevant?

Urheberrechtsficken

In ANSICHTSSACHE haben wir uns mit dem Thema Streamingseiten befasst. Allerdings ging es dabei um Angebote von Seiten wie dem – längst eingestellten, freilich mehrfach ersetzten – Portal „kino.to“, sprich: um ordentliche Spielfilme. Nicht um Pornos. Solche aber treiben gerade Deutschland um und sind vielleicht geeignet, die Diskussion um Streaming und Urheberrecht nicht nur anzuheizen, sondern vielleicht auch weiterzupeitschen, als es mit Hollywood-Blockbustern der Fall war und ist.

Sicher, die mediale Innovation wurde immer schon von Schmuddelkram angetrieben – seien es (erotische) Fotografien oder der lüsterne Heimvideomarkt (mit den Kassetten hinter dem Ab-18-Perlenvorhang in der Videothek Ihres Vertrauen). Zurzeit ist es die unzüchtige Seite RedTube, die allerdings weniger die Verbreitung und Durchsetzung von Mediengebrauchstechnik befördert, sondern womöglich geeignet ist, brennende rechtliche Grauzonen auszuleuchten, sie entweder ganz weiß oder ganz schwarz zu färben.

Die Regensburger Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen („U+C“) überschwemmt Deutschland mit Abmahnungen. Geld und eine Unterlassungserklärung wird von Besuchern der RedTube-Seite zuhältergleich gefordert, die sich dort (angeblich) Sexfilmchen angeschaut hätten – und damit eine Urheberrechtsverletzung begangen hätten. Die Empörung ist nicht nur in den verschiedenen Foren und Kommentarspalten entsprechend groß. Denn nicht nur, dass die Anwälte und die dubiose Auftragsfirma dahinter offenbar auf die Scham der Angeschriebenen setzt (als hätte man sie durch einen Einwegspiegel im Separee gefilmt), die, so wohl das Kalkül, ob des inkriminierenden Netzverhaltens schneller und stiller zum Portemonnaie greifen: Wie es momentan aussieht, hat man das zuständige Kölner Landgericht Gericht auch über Wesen und Art des Online-Angebots für den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch in die Irre geführt. Darüber hinaus aber stellt sich die Frage, ob hier nicht die User wissentlich und willentlich auf die Porno-Seite bugsiert hat, um hinterher „ordentlich“ (und eben: kostenpflichtig) abzumahnen.

Was uns hier freilich mehr noch interessiert, ist ein anderer, weiterer Punkt. Wie Konrad Lischka auf Spiegel-Online (und freilich nicht nur er) berichtet, kommen noch weitere Fragen zum tragen. Fragen, die letztlich auch das illegale Streaming von Spielfilmen betreffen. So mag zwar, wie fragwürdig auch immer, schwerlich beweisbar sein, dass man eine Seite besucht hat, nicht aber, dass man tatsächlich das jeweilige audiovisuelle Angebot im Player auch rezipiert hat. Doch selbst, wenn hier der Anschein greift: Ist das Streaming an und für sich überhaupt (schon) eine Urheberrechtsverletzung? Schließlich werden, anders als bei Tauschplattformen oder beim Hochladen auf Fileservern (wie eben bei kino.to & Co. geschehen), keine Kopien angeboten, damit weiterverbreitet. Last but not least: Wer sich ein schäbige Aufnahme von FACK JU GÖHTE anschaut, weiß bei halbwegs klarem Verstand, dass die aus keiner lauteren Quelle stammt. Bei Udos & Uschis lustigem Rammeln auf RedTube (nur ein Abmahn-"Testballon" laut U+C) oder ähnlichen Seiten (und was da sonst noch angeboten wird) lässt sich aber nur sicher sein, es ist nicht jugend-, was und wann aber: copyright-frei ist?

Bislang haben sich entsprechende Interessenverbände wie die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) in Sachen Spielfilmen auffällig bedeckt gehalten. Und das mit gutem Grund. Was wäre, wenn richterlich entschieden würde, der Abruf von Streaming-Filmen juristisch unbedenklich, folglich zumindest für die Nutzer Seiten wie movie4k und andere sei quasi „legal“ bzw. gedeckt durch § 44a UrhG? In diesem heißt es:

Zulässig sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist,
  1. eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler
      oder
  2. eine rechtmäßige Nutzung
eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.


Ob dieser Paragraph allerdings geeignet ist, Streaming von Raubkopien zu legitimieren und zu legalisieren, ist umstritten. Ein nicht ganz unlogisches Argument ist, dass aus einer von vornherein unrechtmäßigen Video-Kopie so oder so keine rechtmäßige Kopie (geschweige denn ein rechtmäßiger Nutzen) entstehen kann. Ob flüchtig und vorübergehend oder nicht, sei egal.

Wie dem aber auch sei: Bislang hat man sich auf Seiten der Urheberverwerter in Sachen Streaming primär (und mit gutem Grund) auf die Anbieter eingeschossen und nicht auf die nachfragenden Rezipienten (für die statt dessen immer mehr legale Angebote aus dem Boden schießen). Urmann + Kollegen, denen es offenbar mit ihren windigen Methoden vor allem ums Geld der Erschreckten geht, haben hingegen keine solchen Folgebedenken – und können, unfreiwillig, dazu beitragen, die Rechtslage und den Status des inoffiziellen Internetersatzkinos zu klären. Ob sie damit den Spielfilmverwertern (in deren Name U+C auch schon unterwegs waren) damit einen Bärendienst erweisen, wird sich zeigen. Streaming jedenfalls ist etwas anderes als Downloads (nicht-flüchtige Kopie!) und - Gottseibeiuns! - Uploads in Tauschbörsen.

U+C jedenfalls haben bewiesen: Es gibt auch sowas wie (Urheberrechts-) Pornografie.

zyw

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