Donnerstag, 16. April 2015

"Eichwald, MdB" - die Turbo-Politgeschäftsposse

Alle vier Folgen der Sitcom "Eichwald, MdB" hat ZDFneo am Donnerstag bereits online gestellt. Und wie "Lerchenberg" (das ebenfalls aus der Versuchslabor "Quantum" des Kleinen Fernsehspiels entstammt), mehr vielleicht noch als dieses, istz "Eichwald, MdB" sehenswert. Sprich: Gerne mehr davon, und bald.

Wie hier schon erwähnt haben sich Regisseur Stefan Fabian Möhrke und Autor Stefan Stuckmann an der mittlerweile in vier Staffeln vorliegenden britischen Serie "The Thick of it" orientiert. Das merkt man deutlich - was keine Schande ist, sondern, im Gegenteil, eine Adelung, weil "Eichwald, MdB" fast ebenso vorzüglich funktioniert. Ebenfalls halbstündig, allerdings weniger wie Armando Iannuccis (dann doch noch etwas trockenerer, bissigerer und komplexerer) Posse auf den Politalltag im Doku-Stil gehalten, geht es auch hier um die kleinen Dauer-Ausnahmezustände auf den mittleren Fluren des Machtgewerbes. Kein Shakespear'sches hohes Regieren, sondern Parteigetaktieren und Profilationsspielchen. Der Witz entsteht durch Druck und Gefahr der öffentlichen Meinung, vergeigte PR-Arbeit und Medienbedrohung. "Eichwald, MdB" erzählt entsprechend vom Taktierens, dem Reagieren - es ist eine Komödie des Krisenmanagements eigener Entscheidungen, das Ausbügeln oder Ausbaden der cleveren (oder nicht ganz so cleveren) Schach- und Winkelzügen, der fadenscheinigen Pseudoevents und Intrigenaktionen, die schnell dem Parlamentarier und seinem um die Ohren fliegen. Politik ist hier Impro-Show-Geschäft, in dem alle fadenscheinig Form zu bewahren suchen, sich jedoch selbst nur der Nächste ist.

Ähnlich wie in "The Thick of it" ist auch das Team gebaut: der ältere, bräsige Berater (Bernd, gespielt von Rainer Reiners), der junge Medienbeauftragte (Sebastian - Leon Ullrich) und als Stimme der Vernunft die Dame im Team Julia (Lucie Heinze). Zwar sind die Rollen einen Tick zu dödelig oder stereotyp angelegt (etwa Power-Lifestyle-Etüden Sebastians), aber das schaded nicht. Denn "Eichwald, MdB" lebt besonders von rasanten Handeln und Geschehen, vor allen den flotten Dialogen, die über kreuz gehen, Gedanken nur anreißen, auf Vergangenes anspielen, en passant höcht politisch unkorrektem Frotzeleien aufwarten (oder den abgeklärten Zynismus demonstrieren), die
tatsächlich mit den hingeworfenen Namen, Gedankensplittern, Polit-Slang und -Phrasen, Metaphern und Affekt-Vulgaritäten fordern, gar überfordern, wegen des Tempos bisweilen, vor allem jedoch weil die Sprachspielebenen so unvermittelt durcheinandergehen. Entsprechend geraten diese Dialoge in ihrer Dichte, Hektik und Mehrlagigkeit des Kommunikationsstils und -gewühls selbst und gerade wenn man den Faden verliert mit ihrem durchexerzierten Termpo und Aktionismus des Moments zu einem ganz eigenen Stimmungsrauschen, das man jenseits von Inhalt und Handlungsführung amüsant genießt wie weiland die menschlichen Worte, Sätze bei Jacques Tati, die bei ihm vor allem atmosphärische Funktion hatten. 

"The Thick of It" - P. Capaldi (v., m.) - (c) BBC
Freilich fehlt "Eichwald, Mdb" ein Peter Capaldi als erfindungsreich obszön fluchende Kommunikationschef, der die kleine Unglückrunde heimsucht wie ein fürchterlicher Racheengel. Und zugleich fehlt er wieder nicht, denn neben der Fraktionschefin (Maren Kroymann) schafft es Eichwald-Darsteller Bernhard Schütz selbst, diesen Part im Ansatz gleich mit zu übernehmen.

Sein Abgeordneter ist ein fauler Opportunist, jemand, der die um seine Aufmerksamkeit buhlenden Berater in gespieltem Zuhören ignoriert, dann wieder um ihre Bestätigung heischt, der sein eigenes geistiges Süppchen kocht, der seine Gefährten in Gesprächen taktisch ans Messer liefert, der sie maßregelt, seine Zuneigung willkürlich verteilt und sofort wieder cholerisch Lösungen fordert, der sie jovial umgarnt oder ganz selbstverständlich ausnutzt oder sich von fadenscheinigen Ideen mitreißen lässt. Schütz' Hajo Eichwald ist ein sympathisch zerknautscher, geschickter Widerling, einer runden Figur allein, weil sie zwischen Lavieren, Karriereismus, hämischer Bosheit (etwa gegenüber dem feindlichen Parteifreund), vergifteter Höflichkeit, dumpfen Sexismus, Lüsternheit und Zynismus im Umgang mit sich selbst wie mit anderen sämtliche Formen der verhaltensmäßigen déformation professionnelle so verinnerlicht und automatisiert hat, dass sie ihm blind zur Natur geworden sind. Und gerade diese linkische Rücksichts- und Reflexionslosigkeit macht ihn für den Zuschauer so einnehmend, zudem hinreichend glaubwürdig: Bei allen Schwächen, Fehlern, kleinen und großen Missgriffen bleibt spürbar, dass und wie dieser Eichwald sich so lange hat im Amt halten können.  

© ZDF/Daniela Incoronato
Eben das unterscheidet die Serie auch von "Stromberg" (mit dem u.a. Carolin Ströbele  "Eichwald, MdB" in ihrer ZEIT-Online-Rezension vergleicht): Während Bernd Stromberg sich als selbstsicherer Macher aufspielt, um sich in und aus den Peinlichkeiten zu winden, dabei mit dem Blick in die ihn begleitende Mockumentary-Kamera sein Unwohlsein, mithin kleinherzige Selbst-Aufmerksamkeit demonstriert, ist Eichwald als Dauer-Hinterbänkler im Politgeschäft dann doch ein altgedienter, souveräner Profi. Desillusioniert und stets am Rande des Abgrunds, aber routiniert. Eichwald ist dahingehend ein ganz anderer Komik-Typ, eher einer wie James Cagneys McNamara in Billy Wilders "Eins, Zwei, Drei" von 1961, undynamischer, weit fauler, egozentrischer und bitter-sarkastischer, aber eben auch einer, der zur vollen Größe aufläuft, wenn es im Augenblick der Krise weniger zu denken als zu kommandieren gilt. 

Nein, mit "Stromberg" hat "Eichwald, MdB" trotz vieler Gemeinsamkeiten eben so wenig zu tun wie mit "House of Cards" und dessen Frank Underwood, weil die ZDF-Serie in ihrem Humor nicht nur ausnahmsweise nicht versöhnlich-brav daherkommt oder mit Witzfiguren und schlimmen Augenzwinkern, sondern auch nicht aufs (Fremd-)Schämen setzt. Während all diese für das deutsche Fernsehen typischen Merkmale auf ein Aus- und dabei Stillstellen hinauslaufen, ist "Eichwald, MdB", nämlich ganz politisch, ganz zeitgemäß, eine Satire der Bewegung, der ständigen Situationsveränderung, Beschleunigung, Eskalation und des Handelns und Handelnmüssens darin. Klar braucht es dafür die passenden Charaktere, die absurden, gar grotesken (immer aber geerdeten) Situationen, Wendungen, Peinlichkeiten. Solche, die oft genug an reale Vorbilder anschließen oder echte Namen anspielen (etwa: Wulff, Wagenknecht). Doch Witz und Gewitztheit entstehen eben in und aus der Dynamik "dazwischen".

Das macht "Eichwald, MdB" zur echten Polit(geschäfts)satire, eine, für die das Abgeordnetenbüro nicht bloße Kulisse oder beliebiger "workplace" ist (wie "Stromberg" oder "The Office" wahlweise in einer Versicherung oder einer Papierfirma spielt). Vor allem aber macht es die Serie zu einem Glücksfall, nicht bloß für das "Zweite". Oder, wie es Christian Buß auf Spiegel-Online schreibt:

"'Eichwald, MdB' ist ein kleiner Schritt in Sachen Polit-Satire, aber ein großer für das Humorverständnis und den Realitätssinn des ZDF."

Wobei "Realitätssinn" hier im besten Sinne mehreres bedeuten kann.

Alle vier Folgen von "Eichwald, MdB" finden Sie online HIER auf der Serien-Website.

zyw 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen